Wörter sind wie Wundertüten, jeder packt etwas anderes rein!

Hast Du schon einmal darüber nachgedacht, dass ein Wort so viele Bedeutungen hat, wie es Menschen auf der Welt gibt?

Und stimmst Du mir zu? Oder sagst Du: „Nein sonst könnten wir uns ja nicht unterhalten und dabei verstehen, was der andere meint.“ Stimmt, aber warum können wir uns unterhalten. Weil wir von dem Wort eine Vorstellung erarbeitet haben. Ein Bild davon haben, wie es aussieht oder definiert, was wir darunter verstehen.

Nehmen wir das Wort Tasse. Ganz klar, eine Tasse ist eine Tasse. An welche Tasse denkst Du gerade? Wie sieht sie aus? Welche Farbe hat sie? Denkst Du vielleicht gerade an Deine Lieblingstasse und schmunzelst? Oder fällt Dir gerade die schmutzige Tasse ein, die Du gestern dem Schrank geholt hast. Und hast dabei ein eher ungutes Gefühl.

Dann mache mal folgendes Experiment. Frage die nächste Person, der Du begegnest, wie die Tasse aussieht, an die Du gerade denkst! Zugegeben, die Person wird Dich etwas seltsam ansehen und sich fragen, was das soll. Aber es weckt auch die Neugierde und vielleicht wird es ein interessantes Gespräch über „Wörter sind wie Wundertüten, jeder packt was anderes rein!“

Eines ist ziemlich sicher, Dein Gegenüber ist kein Hellseher und kann nur raten, an welche Tasse Du gerade denkst. Na ja, außer Du hast sie in der Hand und hältst diese ihm direkt vor die Nase.

Je nachdem, welche Erfahrungen wir mit Tassen gemacht haben, so sieht der Inhalt unserer Wundertüte aus. Mögen wir Katzen nicht, dann ist das Wort Katze ein Anker, um ein ungutes Gefühl auszulösen.

Die Definitionen, wie wir abstraktere Begriffe, wie zum Beispiel „Agilität“ oder „Empathie“ befüllen, entscheidet, in welche Richtung wir uns bewegen.

Aber, warum ist es so wichtig, diese Tatsache im Hinterkopf zu behalten?

Weil ich überzeugt bin, dass viele Konflikte vermieden werden könnten, wenn wir uns öfter mal die Zeit nehmen, nachzufragen, was der andere genau darunter versteht.

Ein Konflikt, von dem uns eine Kundin berichtet hat, war für mich besonders lehrreich und einprägend. Sie hatte einen Streit mit dem besten Freund ihres Mannes. Die Kundin war höchst empathisch und arbeitete in einem helfenden Beruf. Das Lieblingsthema vom besten Freund ihres Manns, war Empathie. Und so kam es, dass sie sich über das Thema Empathie unterhielten. Der Freund ihres Mannes versuchte sie davon zu überzeugen, wie wichtig Empathie gerade in helfenden Berufen ist. Autsch, da ist das Kind in den Brunnen gefallen. Sie litt zu dieser Zeit sehr darunter, dass sie die Gefühle der leidenden Menschen so extrem wahrnahm, dass ihr Akku am Abend tiefenentladen war. Es entfachte eine stürmischer Schlagabtausch, in dem jeder unterstrich, dass er recht hatte. Sie sagte, das ist auslaugend und er, dass das Umfeld Empathie braucht.

Der Sturm nahm kein gutes Ende. Die Beziehung eskalierte und die beiden sprachen nicht mehr miteinander. Das unangenehmste dabei war, dass sie in jedem Jahr eine Woche Urlaub zusammen machen und der stand kurz vor der Tür. Sie steckte in einem Dilemma. Sie wollte ihren Mann nicht frustrieren, aber mit diesem (seit kurzem) unmöglichen Menschen keine Minute mehr verbringen.

Und genau an diesem Punkt, macht es Sinn, die Wundertüten auszupacken und zu vergleichen.

Das Problem hätte nie zu einem Problem werden müssen. Denn es handelte sich um zwei komplett verschiedene Sachverhalte. Es gibt einen Unterschied zwischen Empathie von Menschen, die eins zu eins fühlen, was ihr Gegenüber fühlt. Und der Empathie, wenn wir uns in andere Menschen hineinversetzen und Mitgefühl äußern.

Und sie sprach darüber, dass es sie auslaugt, wenn sie den ganzen Tag eins zu eins spürt, was ihr Umfeld fühlt. Sie hatte negative Gefühlsübertragungen und wusste nicht, wie sie lernen kann, sich abzugrenzen. Er sprach davon, dass es Menschen, gerade in schwierigen Zeiten, unglaublich hilft, wenn sie Verständnis und Mitgefühl erhalten.

Wenn die beiden dies geklärt hätten, wäre es mit Sicherheit nicht zum Streit gekommen. Und ich bin mir sicher, beide hätten einen konstruktiven Diskurs geführt mit vielen Erkenntnissen und gegenseitigem Verständnis. Was dann auch so geschah! Der Urlaub war gerettet.

Und ich bin mir sicher, wenn ihr gerade abstrakte Begriffe klärt, dann ist auch das eine Bereicherung für langfristig konstruktive Beziehungen.

Nutze den Perspektivwechsel öfter einmal und frage Dein Gegenüber nach Beispielen oder was er genau darunter versteht.

Sprachinfekt: Das Leben kann Spuren von Müssen enthalten!

Eine Warnung auf Lebensmittel „Dieses Produkt kann Spuren von Nüssen enthalten.“ ist mittlerweile Gesetz und selbstverständlich.

Vor ein paar Jahren hat mir eine Freundin eine Postkarte geschenkt mit dem Spruch: Das Leben kann Spuren von Müssen enthalten. Sofort begann ich zu lächeln, wir hatten viele Gespräche über das kleine Wörtchen „Müssen“ mit seiner riesigen Macht über den Menschen.

Aber warum hat dieses Wort so viel Macht? Im Grunde ist es ganz einfach, leider nicht simple. Es ist der Feind des freien Lebens. Das Wort verwandelt Wünsche in Gesetze – Bitten in Forderungen, Träume in Alpträume und verführt unsere Aufmerksamkeit in die Welt des irrationalen Denkens.

Es spiegelt die Gesetze im Kopf wieder, was getan werden darf und was nicht.

Diese Gesetze im Kopf entscheiden, wie wir uns fühlen und wie wir anderen Menschen begegnen. Sie entscheiden, ob wir uns passiv, gleichwertig oder aggressiv verhalten. Sie sind ein ständiger Begleiter und verbrauchen fast alles an Aufmerksamkeit, was da ist. Aufmerksamkeit für das Umfeld bleibt meist auf der Strecke.

Wie es dazu kommen kann?

Stellen sie sich vor, sie wachen morgens auf, sitzen beim Frühstück und sehen die Wand an. Was sie sehen, gefällt ihnen überhaupt nicht. Die Wand ist einfach nur weiß! Sind doch graue Wände gerade in Mode. Und nun stellen sie sich vor, sie würden sich nun selbst sagen: „Die Wand muss sofort grau sein!“

Wenn sie so mit sich sprechen, was macht das mit ihnen? Ich bin überzeugt, sie werden nur noch diese weiße Wand sehen. Sie werden ihre Aufmerksamkeit exklusiv dieser nicht grauen Wand widmen. Und jede weiße oder graue Wand wird sie daran erinnern. An diese Wand, die leider nicht sofort grau werden wollte. Es fehlt nicht viel und sie beschimpfen die Wand.

Sie vergeuden ihre Zeit und Energie, da es kein Mittel in der Welt gibt, die ihnen dabei hilft, die Wand mit Zauberkräften in grau zu verwandeln. Der innere Dialog, dass die Wand sofort grau sein muss, hat keinerlei Nutzen. Was könnte man alles, mit dieser wertvollen Zeit anstellen.

Aufgeladen durch nutzlose Gedanken, die sie ein wenig säuerlich gemacht haben, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie nicht gerade zum Lieblingsmenschen der Umwelt werden. Stellen Sie sich einfach das Gesicht ihres Partners vor, wenn sie erzählen, wie frech die Wand ist und einfach nicht spontan grau sein wollte…

Genau das passiert, wenn wir aus Wünschen Gesetze machen. Wir reagieren starr und unangemessen auf Situationen. Wir unter- ober überbewerten Dinge. Wie ein kleines Kind, dass sich auf den Boden wirft, weil es sofort ein Eis möchte. Und es sich um das Eis bringt, da es ja nicht zur Eisbude laufen kann, auch wenn sie nur 200 Meter entfernt ist.

Die Beispiele sind anschaulich und die meisten geben mir in diesen Fällen recht, dass es kindisch und unangemessen ist, sich so zu verhalten. Was hat das nun wieder mit den eher harmlos wirkenden „Müssen“ im Alltag zu tun. Weil die meisten Müssen, genau so wirken, nur scheinbar ohne die extreme Verhaltensauffälligkeiten. Energie vergeuden Sie dennoch und vergiften das Miteinander.

Halten Sie inne und denken darüber nach, welche Folgen die nachstehenden Beispiele haben:

  • Mir darf kein Fehler passieren! Wenn mir das passiert, dann bin ich ein Versager.
  • Wie schrecklich, ich kann es nicht ertragen, mit diesem furchtbaren Menschen zu sprechen.
  • So geht man mit Menschen nicht um. Der darf mich nicht anschreien.
  • Was für eine Katastrophe, wie der sich verhält.
  • Das geht wohl garnicht, wie der sich benimmt.
  • Das Leben ist kein Zuckerschlecken. (Es muss schwer sein).

Also wie kommen wir aus der Muss-Falle raus. Indem wir lernen, anders mit uns zu sprechen. Die Grundformel für die Umformulierung besteht für mich aus drei wesentlichen Teilen. Meinem Wunsch, den Fakten plus gesundes Gefühl und warum ich akzeptiere, dass es nicht sofort so sein muss, wie ich es haben will.

Ich wünsche mir, dass mir kein Fehler passiert. Fakt ist, heute ist mir ein Fehler passiert. Eine sehr unangenehme Situation für mich. Aber ich bin eben auch nur ein Mensch und Menschen sind eben keine Computer.

Es geht also darum, ein neues Denksystem aufzubauen, dass als Fundament die Selbst- und Fremdakzeptanz hat. Ein Fundament, dass es erlaubt, liebevoller mit sich und anderen umzugehen. Ein Fundament, dass Platz hat für Fehlbarkeit. Jeder kann seine eigene Entscheidungen treffen und dann auch die Konsequenzen selbst tragen. Wir verzichten auf Hobbyjustiz und lassen den Menschen sein, wie er ist.

Mit diesem Fundament kritisieren Menschen das Verhalten von anderen Menschen, sie respektieren jedoch ihr Gegenüber, da der Wert eines jeden Menschen unantastbar ist. Und das ist doch, was wir uns alle Wünschen. Das wir selbst entscheiden, wie wir sein wollen.

Denken Sie nicht auch, dass die Welt ein wenig besser ist, wenn wir öfter mal auf Müssen verzichten?